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01. April 2020 Konzert-Streaming in Zeiten von Corona: Soll man da mitmachen? Und wenn ja, wie?
In den letzten Tagen gab es aufgrund der aktuellen Situation verschiedenste Institutionen und Plattformen, die Streaming-Konzerte ins Leben riefen. Darum sind auch sehr viele Diskussionen rund um dieses Thema entstanden und auch wir haben uns diesbezüglich Gedanken gemacht. Wir möchten uns gerne kurz dazu äussern und ein paar Inputs aus Verbandsperspektive in die Diskussion einbringen.
Es gibt viele positive Aspekte dieser Streamingprojekte: Die gegenwärtige Lage ist für alle ungewohnt und schwierig, darum ist es wichtig, innovativ zu sein und neue Ideen zu verwirklichen. Ausserdem ist es eine sehr schöne Idee, den Leuten, die zu Hause bleiben müssen, die Zeit mit Musik zu erleichtern und ihnen damit ein wenig Hoffnung und Zuversicht in dieser schwierigen Zeit zu geben.
Als Berufsverband stehen wir einem Aspekt bei einigen dieser Projekte jedoch auch kritisch gegenüber. In den letzten Wochen hat der Bund Hilfsmassnahmen spezifisch für Kulturschaffende beschlossen. Zum ersten Mal wird unsere Branche als Wirtschaftszweig sichtbar und ernst genommen, ihre Notwendigkeit und Wichtigkeit wird gewürdigt. Für diese Anerkennung setzen wir uns schon seit Langem und fortwährend ein – zu dieser Anerkennung gehört aber auch, dass Musikschaffende für ihre Arbeit angemessen entlöhnt werden, was bei einigen der aktuellen Projekte nicht der Fall zu sein scheint.
Dies ist aus unserer Sicht problematisch, gerade in der gegenwärtigen Zeit, in der viele Freischaffende komplett auf ihr Einkommen verzichten müssen. Natürlich: Diese Konzerte generieren den Urheberrechtsinhaber*innen sowie Interpret*innen auch Tantiemen und haben für viele Musikschaffende auch einen Promoeffekt und können zur eigenen Reichweite und Berühmtheit beitragen. Während der Promoeffekt für die Bandleader*innen ein gutes Argument sein mag, haben aber diverse Musik-Acts auch Mitmusiker*innen an Bord, die daraus keinen unmittelbaren Nutzen ziehen können und teils trotzdem grosse zeitliche Aufwände betreiben.
Uns stellen sich also folgende Fragen:
Wer arbeitet alles gratis? Sind es nur die Musiker*innen? Wie ist es mit den Betreiber*innen der Plattformen, den Techniker*innen, den Moderator*innen? Verdient jemand an den Projekten? Generiert jemand Werbeeinnahmen, verkauft Abos usw.? Wird Content für eine gewinnorientierte Plattform generiert? Wie lange wird der gratis zur Verfügung gestellte Exklusiv-Content von den Plattformen weiter ausgewertet? Werden die Musiker*innen an allfälligen Einnahmen beteiligt? Wird das Publikum auch angemessen auf die eigenen Kanäle der Musik-Acts hingewiesen, sodass diese nachhaltig von der Präsenz profitieren können? Oder bewirbt sich die Plattform primär selbst?
Wir möchten euch auf keinen Fall vorschreiben, wie ihr in diesen Tagen mit solchen Anfragen umgehen sollt und möchten solche im Grunde gut gemeinten Projekte überhaupt nicht pauschal verurteilen. Aus unserer Sicht müssten aber auf all die oben aufgeführten Fragen zufriedenstellende Antworten gegeben sein, damit ein solches Projekt mit wirklich gutem Gefühl mitgetragen werden kann. Es ist klar, dass damit für jede Band, jede*n Künstler*in eine Abwägung der Argumente vorgenommen werden muss, die zu verschiedenen Schlüssen führen kann.
Wir möchten euch einfach auf die für uns vorherrschende Diskrepanz aufmerksam machen und eine Diskussion anregen. Und natürlich möchten wir euch auch ins Bewusstsein rufen, dass es absolut angemessen ist, auch für solche gestreamten Konzerte faire Gagen zu verlangen, wenn irgendwo ein Budget vorhanden ist. Insbesondere, wenn andere Mitwirkende bezahlt werden.
Die grundlegende Botschaft ist simpel: Lassen wir uns nicht ausbeuten und ausnutzen, auch (und besonders) jetzt nicht.
Gerne öffnen wir die Diskussion hiermit auch: Uns interessiert, wie ihr über dieses Thema denkt und wie ihr momentan mit solchen Projekten umgeht. Gerne könnt ihr auf unserer Facebookseite mitdiskutieren.