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21. Oktober 2024 POSITIONSPAPIER
BASLER MUSIKINITIATIVE «Für mehr musikalische Vielfalt»
SONART, der Verband der Schweizer Musikschaffenden, begrüsst den Anstoss der Basler Musikinitiative. Das Projekt der Freien Musikszene in Basel greift eine Thematik auf, die die Musik- und Kulturszene in der ganzen Schweiz bewegt – und die sich im Rahmen der Pandemie zwischen 2020 und 2022 noch stärker akzentuiert hat: Die Schweizer Kulturpolitik, die öffentliche Kunstförderung sowie die Frage der Verteilung der öffentlichen Mittel zwischen Institutionen und Freier Szene befinden sich in einem Dilemma.
Das Wichtigste in Kürze:
- Stimmfreigabe: SONART unterstützt die Diskussion und überlässt die Entscheidung den Stimmbürger*innen des Kantons Basel-Stadt.
- Kulturförderung: Legitimer Ruf nach mehr Mitteln für die breite und vielfältige Freie Szene.
- Knappe öffentliche Kulturbudgets: Förderung wurde vielerorts nicht einmal der Teuerung angepasst.
- Gemeinsames Engagement: SONART setzt auf Zusammenarbeit innerhalb der Kulturszene statt auf Grabenkämpfe.
Neue Ansätze sind gefragt, der Diskurs ist wichtig und notwendig. Es geht letztlich um die Frage des gesellschaftlichen und ökonomischen Werts von Musik, es geht um die Wertschätzung der Musikberufe.
SONART nimmt als Schweizer Berufsverband normalerweise nicht direkt Stellung zu politischen Projekten auf Ebene der Kantone und Städte. Es ist unseren Mitgliedern freigestellt, sich für dieses Projekt zu engagieren. Und es ist den Stimmbürger*innen des Kantons Basel-Stadt überlassen, zu entscheiden, ob sie diese Initiative unterstützen und wie in Basel die künftige öffentliche Kulturpolitik konkret ausgestaltet werden kann.
Führt ein Ja zur Initiative «automatisch» auch zu erhöhten Kulturbudgets in Basel? Bedeutet ein Nein, dass die heutige Verteilung der Mittel als richtig erachtet wird und damit unverändert weitergeht? Dass sich etwas bewegt, ist das Anliegen von SONART.
Wie dem auch sei: Die Initiative greift entscheidende Fragestellungen auf. Sie hat positive Aspekte, ist geprägt vom politisch harten Verteilkampf im Kultursektor. Ob die Realpolitik – und damit auch das öffentliche Bewusstsein – bereits für neue Ansätze und erhöhte Kulturbudgets bereit ist, bleibt offen. Die exemplarische Basler Initiative gibt – so oder so – dazu schweizweit einen wichtigen Anstoss.
Aspekte zur Beurteilung der Basler Musikinitiative
Verteilung der öffentlichen Kulturmittel – mehr für die Freischaffenden
Die Basler Initiative nimmt zurecht die Tatsache bei fast allen Kantonen und kommunalen Förderstellen auf, dass die öffentlichen Kulturfördermittel zu einem grossen Teil zugunsten von institutionellen Kulturträgern wie Sinfonieorchestern, Opern, Theatern, Museen, etc. ausgerichtet werden. Schweizweit liegt die Mittelverteilung zwischen 80 und 95 Prozent auf der Seite dieser Institutionen. Ist dies noch zeitgemäss? Zumindest haben diese mittelfristig gebundenen Mittel ihre Geschichte und auch eine hohe Berechtigung, da es sich hier um Tausende von hochqualifizierten Arbeitsplätzen in einem «Service Public» handelt sowie um langfristige Planbarkeit und Infrastruktur (sowie deren laufende Erneuerung).
Trotzdem ist der Ruf nach einem höheren Anteil für unabhängige Projekte nichts als legitim. Die Freie Szene hat sich breit und vielfältig entwickelt, auch hier handelt es sich um wichtige Kulturarbeitsplätze, um innovative und zeitgenössische Projekte und um deren planerische Absicherung. Ob dieser Anteil – wie in der Basler Initiative gefordert – 30 Prozent (oder mehr oder weniger?) betragen soll, ist der Entscheid der jeweiligen politischen Ebene.
Vielfalt und Diversität – immer mehr Anforderungen an Qualität
Die öffentliche Kulturförderung geht immer stärker von Qualitätskriterien aus, aber auch von Begriffen wie «Vielfalt», «Diversität», «Honorarbedingungen», «Innovation», «Nachhaltigkeit». Der Fokus richtet sich zu Recht auf diese relevanten Fragestellungen.
Dies bedeutet für geförderte Projekte und Institutionen jedoch auch immer höhere Anforderungen und Aufwendungen bei der Planung und Durchführung – unabhängig davon, ob es freie Projekte sind oder institutionelle.
Die Basler Initiative konzentriert sich dabei laut ihrem Titel und Initiativtext auf den Aspekt der «Vielfalt», was aber im Fall der Annahme und der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes sicher noch verhandelbar und ausweitbar ist.
Öffentliche Kulturbudgets zu knapp – nichts gelernt aus der Pandemie
Während der Pandemiejahre war die Bereitschaft der Politik für gezielte soziale und wirtschaftliche Massnahmen relativ hoch – die «Systemrelevanz» von Kultur wurde anerkannt. Daraus resultierten Unterstützungsmassnahmen für ausgefallene Konzerte, Erwerbsersatz für Kulturschaffende und weitere Massnahmen.
Seither aber, zurück in der «normalen» Welt, hat sich in diesem Bereich nichts mehr bewegt. Im Gegenteil: Zwar gab es damals mehrere Millionen an Ausfallentschädigungen für Institutionen und Veranstaltende, die Honorare der Musikschaffenden haben sich seither hingegen (mit der Inflation) nach unten entwickelt. Ebenso die Kulturbudgets von Bund (Kulturbotschaft des Bundes), Kantonen und Städten. Vielerorts wurden die Kulturbudgets nicht einmal der Teuerung angepasst oder sogar gekürzt.
Honorardifferenzen – der Graben zwischen Prekariat und ausgehandelten Löhnen
Es ist eine Realität, dass die Honorardifferenzen im Musiksektor für professionelle Musiker*innen (mit beispielsweise einem gleichwertigen Hochschulabschluss) gewaltig sind. Während Opern, Theaterhäuser etc. dank Gesamtarbeitsverträgen ihre professionellen Orchestermusiker*innen einigermassen gerecht entlöhnen, bewegen sich die Honorare der Freien Szene (z.B. Jazz, Pop-Rock, klassische Ensembles, Neue Musik, Improszene, etc.) zwischen 15 und 40 Prozent weiter unten. Das Prekariat im Musiksektor geht also weiter!
SONART will deshalb mit seinen Honorarempfehlungen (momentan noch in der Entwurfsphase) gesamtschweizerisch einen Beitrag leisten. Allerdings: Dies bringt die Kulturförderung nochmals ins Dilemma, da sich bei gleichbleibenden Budgets und den Anforderungen an gerechte Honorare die Anzahl der geförderten Projekte natürlicherweise reduziert.
Fazit (und auch ein Dilemma der Basler Initiative): Ohne erhebliche Erhöhung der öffentlichen Kulturmittel kann der Verteilkampf um die Kulturmittel sowie die Forderung gerechter Honorare für die einen oder die anderen fatal werden.
Freie Szene versus Institutionen – gefährliche Grabenkämpfe
Das Basler Komitee gegen die Musikinitiative nennt sich «Nein-Zur-Spaltung». Das Nein-Komitee ist in der Basler Kulturszene ebenfalls gut verankert und besteht vor allem aus Vertreter*innen der Kulturinstitutionen. Diese befürchten bei der Annahme der Initiative massive Reduktionen ihrer eigenen Budgets – was je nach (finanz)politischer Lage im Kanton Basel-Stadt nachvollziehbar ist.
SONART hat sich, nicht zuletzt durch die Erkenntnisse aus der Pandemie sowie durch die aktive Einbindung in die Taskforce Culture und den Dachverband Suisseculture, immer für ein Zusammengehen der Kulturbranche als Ganzes und gegen ein Gegeneinander einzelner «Interessengruppen» oder Kulturbereiche eingesetzt.
À la longue kommt die Musikszene (auch zusammen mit der übrigen Kulturszene) nicht darum herum, in der Öffentlichkeit gemeinsam aufzutreten und gemeinsam erarbeitete Vorschläge und Ziele zu verfolgen.
Dies ist ein Argument gegen die Basler Musikinitiative, welche es wagt, die entscheidenden Fragen der Kulturpolitik nun aufzugreifen. Nichtsdestotrotz bleibt aber die Hoffnung, dass man nach der Basler Abstimmung, dann wieder am selben Strick zieht und gemeinsame Lösungen erkämpft.
Links
Basler Musikinitiative, www.musikvielfalt.ch
Nein-Zur-Spaltung, www.nein-zur-spaltung.ch
Vorstand SONART, 17.10. 2024
Redaktion: Michael Kaufmann, Präsident SONART