Projekte & Kampagnen|Zeitgenössische Musik
SON‘18 – am 29. September 2018 in der Bar du Nord Basel war ein grosser Erfolg
Der Netzwerkanlass des SONART-Bereichs zeitgenössische Musik stand unter einem guten Stern. Die Mischung von Vorträgen, musikalischer Umrahmung, Selbstreflexion zur Aufbauphase in SONART und viel Gelegenheit zum Austausch bei Speis und Trank stiess auf reges Interesse. Die vielfältigen Belange von Komponistinnen und Komponisten, von Spezialistinnen und Spezialisten in der zeitgenössischen und experimentellen Musikszene werden wahrgenommen und sollen weiter gestärkt werden. SONART ist nicht nur für Einzelne da, sondern bietet eine Plattform auch für gemeinsame Aktivitäten.
Das Erscheinen eines zahlreichen Publikums, das engagierte Mitdiskutieren an der Publikumsdiskussion, die angeregten Gespräche in den Pausen und am anschliessenden Apéro und nicht zuletzt eine Vielzahl an begeisterten Reaktionen nach dem Anlass machten deutlich: SON'18 deckte ein Bedürfnis nach Formaten, die dem analogen Austausch unter Musikschaffenden und mit der interessierten Öffentlichkeit dienen.
Die gewählte Thematik der Vorträge (Martina Wohlthat und Michèle Noirjean) zum Umgang mit geeigneten Materialien und Datenträgern in der eigenen Produktion in Bezug auf deren Haltbarkeit über die Jahrzehnte stiess im Publikum auf grosses Interesse. Bspw. ändern insbesondere im Bereich digitale Medien die Formate so rasch, dass ein Digitalisieren, dann aber auch das regelmässige Migrieren von Dokumenten in die aktuellsten Formate empfohlen wird. Bei Manuskripten hält Bleistiftschrift auf alterungsbeständig gewähltem Papier ohne Klebestreifen und Metallklammern ewig (im Gegensatz zu Filzstiften…), selbstgebrannte CDs sind maximal zirka 10-15 Jahre haltbar. Die an die Vorträge anschliessenden Publikumsfragen zeigten, dass das Thema gerade in der digitalen Ära eine hohe Relevanz aufweist. Wichtig auch der Einwurf aus dem Publikum, dass nur qualitativ hochwertige Videos ins Internet gestellt werden sollten, hinter denen Musikschaffende vollumfänglich stünden. Denn für ein mögliches späteres Beforschen könnten gerade in Bezug auf Uraufführungen möglicherweise falsche Schlüsse gezogen werden.
Das von Xavier Dayer feinfühlig und zweisprachig geführte Podiumsgespräch mit Marianne Doran, Antoine Fachard, Daniel Fueter, Jeannine Hirzel und Nemanja Radivojcevic, startete mit einer kurzen Einführung seitens Marianne Doran (Präsidentin SONART) zur Tätigkeit von SONART. Anschliessend wurden Perspektiven in der Gegenwartsmusik mit Fokus auf die Neuausrichtung der zeitgenössischen Musik innerhalb von SONART, die Positionierung gegenüber anderen Verbänden wie bspw. dem Schweizerischen Musikerverband SMV/USDAM aber auch Potenzial, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Funktionieren der drei musikalischen Genres verhandelt. Für Daniel Fueter ist vordergründig, dass jedes Genre ggf. durch eigene Projekte innerhalb des Verbandes zu einer kraftvollen Identität finde, um anschliessend mit Fokus auf die Gemeinsamkeiten zusammen Projekte zu realisieren. Konsens fand sich bei allen Beteiligten darin, dass SONART sein einzigartiges Potenzial für eine Positionierung im Schaffen von "Begegnungen quer durch die Regionen" (Fueter) und über die Sprachräume hinaus habe. Antoine Fachard und Nemanja Radivojcevic, beides Komponisten aus der Romandie, betonten in diesem Sinne die Wichtigkeit des sprach- und genreübergreifenden Netzwerks, das nur SONART bieten könne. Breit abgestützt zeigte sich auch die Notwendigkeit nach Austausch auf internationaler Ebene aber auch von Allianzen mit der Wissenschaft und Forschung. Ausserdem wurde sowohl vom Panel als auch aus dem Publikum der Wunsch geäussert, dass SONART sich als Basis für eine digitale Wissensplattform etabliere, die über Belange und Aktivitäten der zeitgenössischen Musik schweizweit und genreübergreifend informiere.
Im anschliessenden Publikumsgespräch wurden generell Anliegen von Mitgliedern und Fragen der interessierten Öffentlichkeit beantwortet. Dabei kamen bspw. folgende Themen zur Sprache: ob und wie mit durch den ehemaligen STV verwalteten Stiftungen verfahren würde, oder ob ein Zusammenarbeit mit der Schweizer Musikedition SME/EMS geplant sei (für eine entsprechende künftige Partnerschaft sind Gespräche im Gange).
Die beiden Kurzkonzerte, einerseits der zwei Preisträgerinnen des concours Nicati und des Kukuruz Quartetts andererseits, brachten willkommene Kontrapunkte zu den Vorträgen und zum Panel.
Die beiden Preisträgerinnen des concours Nicati 2017, HannaH Walter und Shuyue Zhao präsentierten Tristan Murails Werk (*1947) Les ruines circulaires (2006) überzeugend versetzt mit Live-Elektronik, Video und Performance. Daneben erklangen Werke von Salvatore Sciarrino, Peter Ablinger sowie ein Improvisationskonzept der beiden am Anfang einer internationalen Karriere stehenden jungen Musikerinnen. Das gewagte Spiel bei Murail mit extremen Lautstärkenunterschieden und insbesondere der Einbezug von Multimedia, rief im Nachgang Begeisterung wie auch lebhafte Diskussionen hervor.
Das Kukuruz Quartett überzeugte durch die Kombination des zentralen Stücks von Julius Eastman Evil Nigger (1979) mit einer Uraufführung von Lara Stanić und einem neuen Stück von Simone Keller restlos. Der rasant-atemlose Auftritt an vier sperrig platzierten alten Klavieren kontrastierte Subtilität und Ironie in Stanićs Nachklang (UA 2018), mittels im Klavier platzierten E-Zigaretten, mit rhythmisch kraftvoller und obsessiver Präsenz bei Eastman und souveränem Einsatz von Megaphonen in Kellers ENOUGH OF Trump ALready!! (2017) auf packende Weise. Das gebannte SON'18-Publikum hätte mehr hören wollen.
Genre- und sprachübergreifendes Netzwerk - Apéro
Als Ort des Netzwerks der zeitgenössischen Musik, bestätigte sich die Bar du Nord im szenenbekannten Bahnhof für Neue Musik, Gare du Nord als idealer Rahmen: In Pausen mit Barbetrieb und am Schlussapéro trug die stimmungsvolle Ambiance und das hervorragende Catering das ihrige zur entspannten und kommunikationsfreudigen Atmosphäre bei.
Das Publikumsvotum "Dass diese Zwangsheirat positive Seiten hat, zeigt sich heute" kann als Fazit einerseits zu SON'18, andererseits zur Zukunft von SONART insgesamt, in der Musikszene als wohl einzigartiger genreübergreifender Institution schweizweit, stehen. SON’18 bildete einen Grundstein für gegenseitiges Interesse und Verständnis der Anliegen aller Genres innerhalb des Verbandes und damit die Identität von SONART insgesamt, aber auch eine nachhaltige Basis zur Stärkung einer sprach- und genreoffenen Schweizer zeitgenössischen Musikszene für Interessierte, Partner und die Öffentlichkeit.
Gabrielle Weber / Katharina Gohl Moser
Fotos: Mathias Gautschi
Mit finanzieller Unterstützung der FONDATION SUISA und der Schweizerischen Interpretenstiftung SIS