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29. Agosto 2022 Zum Tod von Fredy Studer – einem Grossen der Musik
TROMMELN FÜRS GANZE
Es geht ausschliesslich um die Musik. Es geht um Rhythmus, Klang, Interpretation, Improvisation. Alles andere ist nicht wichtig und kann man auf die leichtere Schulter nehmen: So war Fredy Studer. Ein Antreiber, ein Jazzer mit einer Rockerseele, ein Tüftler im Reich des Schlagzeugs, ein Leader, der gleichzeitig – in jeder Sekunde – ein Zuhörer war. Ein Grosser des Schweizer und internationalen Jazz und der improvisierten Musik. Und – obschon er es nicht unbedingt nötig hatte – selbstverständlich und solidarisch ein SONART-Mitglied der ersten Stunde.
Ich lernte ihn erst vor wenigen Jahren persönlich kennen, an einem Wieder-Mal-OM-Konzert am Festival «Alpentöne». Christy Doran hatte ihn mir dort vorgestellt, wir sahen uns dann gelegentlich in der Jazz-Kantine Luzerns, auf einen Schwatz beim zufälligen Antreffen im Quartier, in einer Beiz, einmal, Fragen über Sinn und Unsinn von Jazzausbildung an einer Hochschule austauschend, auf dem Zug. Für mich ein Star, der in aller menschlichen Bescheidenheit überhaupt nicht so wirkte – und sich vor allem nicht so aufführte. Halt einfach einer von hier, ein klug argumentierender Nicht-Akademischer im weiten karierten Hemd und seinem grauen Rossschwanz.
Dabei hatte ich ihn seit Jahren musikalisch immer wieder gehört und verehrt: Als «Motor» bei OM wo man bereits früh die in den 70er-Jahren schon ausgeleierten Konventionen der Rockmusik sprengte, aus dem Vierviertel ausstieg, sich die Freiheit nahm, fast alles in Frage zu stellen und ganz einfach Musik zu machen. Dann einige Male an Festivals und Konzerten mit «Koch-Schütz-Studer», dieser Total-Kammermusikformation in der die explosive Mischung von Jazz, Rock, Neuer Klassik und Improvisierter Musik einfach hin- und mitreissend war. Unvergesslich für mich die starken Bilder zu «Koch-Schütz-Studer» in Peter-Liechtis Dokumentarfilm «Hardcore Chamber Music» (2006), wo Studer in intensiven Takes seine ganze Bandbreite aufzeigt, klangtüftelnd, Sound-Teppiche ausbreitend, frech – und dazu lachend - das Solo an sich reissend – um es bald abrupt und elegant den Kollegen wieder zuzuspielen.
Es gibt wenig mehr zu sagen. Namedropping bei einem, der sich weit über die Schweiz hinaus ohnehin auf den Musikbühnen der Welt bewegte, ist nicht angebracht. Seine präzise Musik, die weit über sein meisterlich beherrschtes Instrument hinaus immer ein Ganzes war, bleibt uns. Sie muss allen, die Musik machen ein Vorbild sein in ihrer Unbedingtheit und der gleichzeitigen Natürlichkeit, in der Strenge der Form und der Fähigkeit, diese Form grad wieder in Frage zu stellen um Neuem Platz zu geben. Fredy Studer hat geballte emotionale und musikalische Energie in alle Richtungen zum Ausdruck gebracht. Das war unerhört stark, aber nie grell-plakativ. Das war auch ganz leise, zärtlich wie Luzerner Nieselregengeknister. Das war Ernsthaftigkeit und Tiefgang – und doch immer mit diesem leisen Lächeln von Unbeschwertheit und frischer Spielfreude. Ein feiner und wichtiger Musikmensch ist gegangen. Das Werk und sein menschlich-künstlerischer Zugang zur Musik haften in unserem Kopf.
Michael Kaufmann, Präsident SONART